Urbane Legenden aus Japan (2024)

Urbane Legenden aus Japan (1)Urbane Legenden - auch Großstadtlegenden genannt, auf japanisch: 都市伝説 toshi densetsu - sind zumeist makaber, skurril und schaurig anmutende Anekdoten. Man bezeichnet sie auch als moderne Mythen/Sagen, die mündlich überliefert werden und deren Quellen sich häufig nicht zurückverfolgen lassen. Sie sind auch ein beliebtes Thema in japanischen Horrorfilmen.

Die japanischen urbanen Legenden sind meist übernatürlich beeinflusst. Zum Teil wurzeln sie in der grausamen Vergangenheit des Landes. Sie handeln aber auch häufig von Rachegeistern aus dem Jenseits, die aus den Seelen von Menschen entstanden, die auf grausame Weise ums Leben gekommen sind. Die Geschichten sind manchmal moralisierend und enthalten Warnungen und Regeln, wie man sich in bestimmten Situationen verhalten soll.


赤マント

Urbane Legenden aus Japan (2)

Aka Manto (Roter Umhang)

Aka Manto bedeutet "roter Umhang". Es handelt sich dabei um einen bösen Geist, der dich in Schultoiletten oder öffentlichen Toiletten - bevorzugt in der letzten Kabine - heimsucht, wenn es kein Toilettenpapier mehr gibt.

Der Geist wird dich fragen, ob du rotes oder blaues Klopapier möchtest. Solltest du das rote Papier wählen, dann wirst du in Stücke geschnitten bzw. aufgeschlitzt, bis deine Kleidung rot gefärbt ist. Entscheidest du dich jedoch für das blaue Papier, wirst du erdrosselt bzw. gewürgt, bis dein Gesicht blau anläuft. Jeder Versuch, Aka Manto auszutricksen, indem man nach einer anderen Farbe fragt, führt dazu, dass er dich in die Unterwelt zerrt, wo du ewig in den Höllenfeuern schmoren wirst. Nur wenn du dankend ablehnst und sagst, dass du kein Papier möchtest, verschont dich der fragende Geist.

Er wird oft als gutaussehender Mann beschrieben, der zu Lebzeiten immer von Bewunderern verfolgt wurde, nun trägt er eine Maske um sein Gesicht zu verstecken.

In Legenden-Abwandlungen ist bei Wahl des roten Papiers von einem Abziehen der Haut und bei Wahl des blauen Papiers von einem Ausbluten des Körpers die Rede.

In einer anderen Version der Geschichte wird der Geist Aoi Manto (blauer Umhang) genannt.

In manchen Versionen fragt er auch, ob du einen Umhang statt Papier möchtest. Wenn du Rot wählst, wird dir die Haut vom Rücken gerissen, um es wie einen roten Umhang aussehen zu lassen, wählst du Blau, wird dir das gesamte Blut aus dem Körper gesaugt.

In manchen Gegenden erzählt man sich, dass der Geist eine rote Weste anbiete.

Eine beliebte Variante der Geschichte berichtet von einem Polizisten und seiner Partnerin, die zu einer Schule gerufen wurden, nachdem ein Mädchen meldete, sie habe eine männliche Stimme auf der Mädchentoilette gehört. Die Polizistin ging in die Toilettenanlage, während ihr Partner draußen wartete. Die Männerstimme, die das Mädchen gehört hatte, fragte nun die Polizistin: "Sollen wir die rote Weste anziehen?". Der Polizist, der gegen die Tür gelehnt lauschte, hörte wie seine Partnerin antwortete: "Ja.". Ein durchdringender Schrei war zu hören und kurz darauf das Geräusch von etwas Schwerem, das auf den Boden fiel. Der Polizist öffnete sofort die Tür und sah mit Entsetzen den enthaupteten Körper seiner Kollegin, das Oberteil ihrer Uniform vollgesaugt mit Blut (daher "rote Weste bzw. Jacke").

隙間の少女

Urbane Legenden aus Japan (3)

Das Mädchen aus dem Spalt

Das Mädchen aus dem Spalt ist ein Geist, der in Lücken zwischen Möbelstücken, Türen oder Schubladen haust.

Solltest du es zu Gesicht bekommen, dann wird es dich fragen, ob du mit ihm eine Runde Verstecken spielst. Solltest du den Geist ein zweites Mal in einem Spalt, einer Lücke, einem Riss oder einer Ritze entdecken, dann wirst du in eine andere Dimension gesogen - oder aber in die Hölle.

牛頭

Urbane Legenden aus Japan (4)

Gozu - Der Ochsenkopf / Kuhkopf

"Gozu - der Ochsenkopf / Kuhkopf" ist eine mysteriöse Gruselgeschichte, die dich allein durch Zuhören so in Furcht und Schrecken versetzen kann, dass du gleich darauf sterben wirst.

Dazu existiert folgende Legende:

Eine Grundschulklasse befand sich einst auf einer Klassenfahrt. Im Bus begannen die Kinder unruhig zu werden und der Lehrer beschloss daher, sie mit Geschichten zu unterhalten, die immer fesselnder wurden. Und schließlich fragte er: "Habt ihr schon von der Geschichte über den Ochsenkopf gehört?". Die Kinder gerieten plötzlich grundlos in Panik, fingen an zu schreien und flehten ihn an, sie nicht zu erzählen. Dennoch erzählte der Lehrer, der plötzlich wie besessen und in einer Art Trancezustand wirkte, die Geschichte und als er wieder zu sich kam, fand er seine ganze Klasse mit blassen Gesichtern ohnmächtig in ihren Sitzen vor, aus den Mündern der Kinder kam weißer Schaum. Auch der Fahrer befand sich in einem ähnlichen Zustand. Einige konnten nicht aufhören zu schwitzen und zu zittern und starben ein paar Tage später.

Es konnte nie herausgefunden werden, wovon die Geschichte handelte, weder der Lehrer noch die überlebenden Kinder waren in der Lage sie nachzuerzählen.

人柱

Urbane Legenden aus Japan (5)

Hitobashira - die menschlichen Säulen

Hitobashira, auch bekannt als die menschliche Säule, ist die Menschenopferung im vormodernen Japan, als man Menschen noch lebendig unter bzw. in Bauwerken begraben bzw. quasi als Füllmasse eingearbeitet hat, um die Konstruktionen stabiler und haltbarer zu machen und die Götter zu besänftigen, damit das Gebäude nicht einer Naturkatastrophe oder Feinden zum Opfer fällt.

Die Menschen glaubten, die Hitobashira würden als Wächter die bösen Geister bekämpfen. Gebäude mit menschlichen Säulen werden jedoch von den Geistern derer heimgesucht, die in ihnen verbaut sind. Insgesamt soll es zwölf dieser Hitobashira in Japan geben. Bei einigen wurde dies durch Überreste der Skelette bestätigt, andere weisen durch alte Schriften und Berichte darauf hin.

Eines der bekanntesten und nicht minder sagenumwobene Gebäude ist das Maroka-Schloss, welches von O-Shizu, einer armen, halb-blinden Frau und Mutter zweier Kinder heimgesucht werden soll. O-Shizu meldete sich freiwillig als Hitobashira, unter der Bedingung, dass der Fürst, der das Schloss erbauen ließ, sich um ihre Kinder kümmern würde und ihren Sohn zum Samurai ausbilden lasse. Der Fürst versprach dies der Frau und so wurde sie lebendig eingemauert. Doch nach dem Bau wurde der Fürst in einen anderen Teil von Japan versetzt und vergaß sein Versprechen an die Frau. Seitdem soll der Geist von O-Shizu verärgert über den Fürsten regelmäßig für Überschwemmungen am Schloss sorgen. Die hässlichen Algen des Schlossgrabens sollen ebenfalls auf O-Shizu zurückzuführen sein. „Der Regen fällt, die Algen wachsen. Es sind die Tränen der armen O-Shizu.“ So schildert ein Lied die Trauer der unglücklichen O-Shizu.

Das Matsue-Schloss/die Matsue-Burg ist ebenfalls eines der zwölf Gebäude, welches ein Hitobashira nachgesagt wurde. Die Burg wurde Mitte des 17. Jahrhunderts gebaut und hatte einige Schwierigkeiten, da die Mauern desöfteren einbrachen. Das Menschenopfer sollte das Fundament festigen, damit die Wände halten. Hier wurde beim Bau ein hübsches Mädchen, das zufällig am Bauplatz tanzend vorbeigekommen war, vom Bauherrn als Hitobashira ausgewählt und eingemauert. Eine andere Variante der Legende: Für die Opferung gingen die Wachen der Burg auf das Bon Matsuri, ein Fest für verstorbene Seelen, und nahmen die schönste Tänzerin mit. Sie töteten sie und begruben sie in einer Wand. Die weiteren Bauarbeiten verliefen daraufhin gut. Doch wann immer ein junges Mädchen in den Straßen Matsues tanzt, fängt die Burg an zu beben. Seitdem ist das Tanzen in Matsue verboten.

Im Falle der Matsue-Ohashi-Brücke drohte der Bau zu scheitern, als die tausend Steine, die ein stabiles Fundament bieten sollten, im Sand verschwanden. Da entschloss man sich zu einem Hitobashira. Gensuke, ein obdachloser Mann, wurde auserwählt und im Fluss unter einem der zukünftigen Pfeiler versenkt. Ab da verlief der Bau problemlos und so entstand die heutige Matsue-Ohashi-Brücke. Der mittlere Pfeiler wurde Gensuke zu Ehren nach ihm benannt.

1861 sollte eine neue Brücke erbaut werden, und da die Japaner immer noch von dem System der Hitobashira überzeugt waren, flüchteten alle Anwohner und mieden das Gebiet für eine lange Zeit, da sie Angst hatten, ein neuer Hitobashira zu werden. Und ihre Ängste waren nicht ganz unbegründet, in Japan gibt es eine Vielzahl von modernen Geschichten über Menschenopfer. Auf der Nordinsel Japans namens Hakkaido fand man bei einigen Brücken und Tunnel zahlreiche Knochen. Die meist-verbreitete These zu diesen Knochen ist, dass die Arbeiter während des Baus den Göttern geopfert wurden. 1968 fand man bei Restaurierungen des Jomon-Tunnels mehrere aufrecht stehende Skelette. Diese Skelette waren allerdings nicht die Einzigen, vor dem Tunnel fand man ebenfalls Gräber mit zahlreichen Toten. Und der Tunnel war erst 1914 erbaut worden. Es gibt auch in der heutigen Zeit noch zahlreiche Personen, die glauben, die Geister der Verstorbenen würden den Tunnel heimsuchen. Selbst Zugführer, die den Tunnel benutzen müssen, würden Angst vor den Toten haben. Skeptiker glauben allerdings, dass die Arbeiter von 1914 nicht als Hitobashira geopfert wurden, sondern an den schlechten Bedingungen am Bau gestorben sind. Viele sollen an der tödlichen Krankheit „Beriberi“, welche durch Vitaminmangel ausgelöst wird, gestorben sein. Nach ihrem Tod sollen sie dann in der Tunnelwand eingemauert worden sein, so hatte man zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Die Toten hatten ein Grab und der Tunnel seine Hitobashira. 1980 errichtete man ein Denkmal zu Ehren der Bauarbeiter.

犬鳴

Urbane Legenden aus Japan (6)

Das Dorf Inunaki

Inunaki ist ein kleines, abgeschiedenes Dorf in der Wildnis Japans um den gleichnamigen Berg. Es ist halb zerfallen und von der modernen Welt isoliert.

Elektronik wie Handys und Kameras funktionieren hier nicht. Im Ort selbst gäbe es wohl alte Geschäfte und Münztelefone, die aber auch nicht funktionieren. Eine Tafel am Ortseingang weist angeblich darauf hin, dass in Inunaki die japanische Gesetzgebung nicht gilt. Wenn du im Dorf ankommst, wirst du puren Wahnsinn und Manie erleben, so heißt es. In halb verfallenen Ruinen leben Dinge, die einst Menschen waren. Den dort Lebenden wird eine extrem unheimliche Lebensführung nachgesagt. Kannibalismus, Inzest und Mord sind hier alltäglich.

Es ist nicht sicher, ob es das Dorf Inunaki gibt oder jemals gab, aber es ist ein spannender Mythos, der sich wie eine Illusion um diesen Ort hüllt und viele Abenteurer dazu verleitete aufzubrechen, um das mysteriöse Dorf zu finden. Ob sie wiederkehrten, nachdem sie gefunden hatten, wonach sie suchten, ist offiziell nicht dokumentiert. Von den vielen Menschen, die laut Legende nach Inunaki gingen, kam jedenfalls inoffiziell nie jemand zurück...

So lautet die urbane Legende. Fakt ist, dass es zur Zeit des Zweiten Weltkrieges in einigen japanischen Dörfern aufgrund der Nahrungsmittelknappheit zu Kannibalismus und Plünderungen kam. Dadurch könnte auch der Mythos über Inunaki entstanden sein.

カシマレイコ

Urbane Legenden aus Japan (7)

Kashima Reiko

Kashima Reiko erzählt die Geschichte einer Frau, die in Toiletten spukt. Japaner lieben solche Toilettengeschichten (siehe z.B auch die Legende von Aka Manto). Aber Vorsicht: Man sagt, wer diese Geschichte erfährt, den sucht Kashima Reiko heim! Wer also nun weiterliest, ist selber Schuld …

Kashima Reiko ist der Geist einer jungen Frau, die in Hokkaido, Japan, gelebt hat. Eines Nachts wurde sie von mehreren Männern attackiert. Sie vergewaltigten und schlugen sie so schlimm, dass sie nicht mehr laufen konnte. Danach sind die Männer einfach verschwunden und ließen sie zurück. Sie schrie nach Hilfe, doch niemand antwortete ihr. Also kroch sie so weit sie konnte. Als sie bei einem Bahnübergang ankam, geriet sie in Ohnmacht, mitten auf den Gleisen. Die Bahn kam, schlitzte sie an der Hüfte entzwei und sie starb.

Seitdem sucht die rachsüchtige Seele der jungen Frau nach ihren Beinen. Dabei taucht sie jedoch nur in Toiletten – meist öffentlichen – auf. Wenn du das Bad betrittst, fragt sie dich, wo ihre Beine sind. Antwortest du falsch, tötet sie dich. Die richtige Antwort auf die Frage ist „Auf der Meishin-Expresslinie“ bzw. "auf den Meishin-Gleisen".

Wenn sie daraufhin fragt, wer dir das erzählt hat, so antworte mit "Kashima Reiko" - dann wird sie dich gehen lassen. Will sie dann auch noch trickigerweise ihren eigenen Namen wissen und du antwortest mit "Kashima Reiko", so wird sie dich ohne Zögern attackieren und töten. Die richtige Antwort lautet „Maske Tod Dämon“, denn Kashima steht für die japanischen Worte „Kamen“ (Maske), „Shinin“ (Toter) und "Ma" (Dämon).

Kashima Reiko taucht dann übrigens innerhalb eines Monats auf, nachdem man diese Geschichte gehört hat...

清滝トンネル

Urbane Legenden aus Japan (8)

Der Kiyotaki Tunnel

444 Meter lang ist der legendäre Kiyotaki Tunnel, der 1927 erbaut wurde. Verfluchte 444 Meter - die Zahl 4 ist für die japanische Bevölkerung eine ähnlich verfluchte Zahl wie die Zahl13 für die westliche Bevölkerung.

Angeblich spuken im Kiyotaki sowohl die Geister all jener Tunnelbauer, die 1927 aufgrund der sklavenartigen Arbeitsbedingungen starben, als auch jene, die wegen der dort spukenden Geister sterben, weil sie sich beim Durchfahren des Tunnels entweder tödlich erschrecken, sobald ein Tunnelbauergeist auf ihren Beifahrersitz schwebt, oder – so sie sich nicht gleich zu Tode gruseln – einen tödlichen Unfall bauen.

Auch gruselig: Je nachdem, ob der Tunnel tagsüber oder nachts befahren wird, kann sich dessen Länge ändern.

お菊

Urbane Legenden aus Japan (9)

Okiku, das Tellergespenst

In dieser Legende geht es um die Magd Okiku, die ihrem Herrn die Liebe verweigert und daraufhin von ihm in einen Brunnen gestürzt wird.

Der Vorwand für seine Tat: Sie habe einen Teller entwendet, den er in Wirklichkeit selbst versteckte. Jede Nacht entsteigt sie dem Brunnen, in dem sie ertränkt wurde, um die Teller noch einmal nachzuzählen - daher ihre Erscheinung als Teller zählendes bzw. tellerförmiges Gespenst. Sie zählt dabei immer nur bis 9 und bricht dann ab, um neuerlich bei 1 zu beginnen. Dem Spuk kann nur durch einen Exorzisten ein Ende bereitet werden, der im richtigen Moment „10“ ruft.

お岩

Urbane Legenden aus Japan (10)

Oiwa, der Lampiongeist

Oiwa wird von Iemon, ihrem grausamen Ehemann, betrogen und vergiftet, so dass sie eines qualvollen Todes stirbt.

Sie erscheint jedoch als Rachegeist wieder - und zwar mit ihrem durch Gift entstellten Gesicht. Dieses zeigt sich dem Iemon nicht nur in einem zerschlissenen Friedhofslampion, sondern auch anstelle seiner neuen Ehefrau. Als Iemon den Geist vernichten will, tötet er stattdessen seine frisch­vermählte Braut, um derentwillen er den Mord an Oiwa vollführt hat.

俵藤太

Urbane Legenden aus Japan (11)

Tawara Tōda

Nicht weit von Hamamatsu, einer östlich von Kyoto in der Provinz Totomi an der Oststraße Japans gelegenen Stadt, liegt das Dorf Tschitta, in dessen Nähe eine große Brücke über den Yokatagawa führt, deren Länge um so auffälliger ist, als sie durch eine Flußinsel in zwei Teile getrennt wird.

In der Nähe dieser Brücke, welche nach jenem Dorfe Tschittanohaschi, die Brücke von Tschitta, genannt wird, lebte einst ein grausiges Ungeheuer, ein riesiger Tausendfuß oder, wie ihn die Japaner nennen, Mukade; daher man auch den Hügel, auf dem er hauste, den Mukade-Berg nennt. Dieser giftige Tausendfuß machte die Heerstraße sehr unsicher, und niemand wagte es, ihm Trotz zu bieten. Ganz besonders gefährlich war er zur Nachtzeit, und alsdann wuchs seine Kühnheit so sehr, dass er sich sogar an der Brut der Drachen vergriff, welche im Wasser unter der Brücke wohnten, und dasw er ohne alle Scheu vor der gewaltigen Stärke dieser Drachen die hilflosen Jungen umbrachte. Daraus entstand nun ein hartnäckiger, grimmiger Streit zwischen dem Mukade und den Drachen.

Trotz ihrer göttlichen Kraft vermochten diese dem Tausendfuß in seinem Verstecke nichts anzuhaben; deshalb triumphirte er und setzte seine nächtlichen Raubzüge fort, bis endlich dem Drachengeschlecht eine unerwartete Hilfe zuteil wurde. Ein Held aus dem berühmten Geschlechte der Minamoto, Tawara Tōda mit Namen, kam des Weges und hörte von den Drangsalen, welche die Bewohner der Gegend von dem Tausendfuße zu erdulden hatten, und kühnen Sinnes zog er vor die Höhle desselben und erlegte ihn mit seinen Pfeilen, welche er so kräftig abschoß, dass sie durch die dicke Haut des Ungethüms drangen und es endlich tot zu den Füßen des Helden niederstreckten. Man sagt, dass die Länge des Tausendfußes die doppelte Manneshöhe noch übertroffen habe.

Als die Drachen und Meeresgötter diese herrliche Tat wahrnahmen, kamen sie zu dem Helden und brachten ihm ihre Huldigungen dar. Sie prophezeiten ihm, dass sein Geschlecht die größte Macht auf Erden erlangen würde. Dies traf dann auch ein, denn etwa 250 Jahre später riss Yoritomo, demselben Geschlechte entsprossen, alle weltliche Macht als Schogun an sich, und später noch gelang es zweimal Zweigen seiner Familie, den Aschikaga und den Tokugawa, auf Jahrhunderte jene Würde und damit alle Herrschermacht an sich zu bringen.

Ein kleiner Tempel, in nächster Nähe des Dorfes Tschitta und am Mukade-Berge belegen, bewahrt noch heutzutage den Namen des tapferen Tawara Tōda.


人面犬

Urbane Legenden aus Japan (12)

Jinmenken

Eine urbane Legende aus Japan dreht sich um Hunde mit Menschenkopf: Die Jinmenken.

Diese sind relativ harmlos. Sie wandern in verlassenen Gassen herum und werden nur ab und zu von Passanten gestört. Sollte dies passieren, dann schreit der Jinmenken den Menschen an, er solle ihn alleine lassen. Richtig gehört, das Hundemonster kann auch noch sprechen! Aber man sollte auf ihn hören, denn die Sichtung eines Jinmenken soll depressiv machen oder gar Unglück bringen. Also kein treuer Begleiter für den Alltag. Jinmenken sind sehr scheu und sind lieber für sich. Bereits seit 400 Jahren gibt es Sichtungen der unheimlichen Wesen, aber Fotos gibt es keine.

口裂け女

Urbane Legenden aus Japan (13) Urbane Legenden aus Japan (14)

Kuchisake-Onna

Die Kuchisake-Onna – die „Frau mit gespaltenem / zerrissenem / aufgeschlitztem Mund“ – war der Legende nach eine sehr schöne, großgewachsene Frau mit wallenden, schwarzen Haaren. Sie soll in der Heian-Zeit (794-1192) gelebt haben und war mit einem jähzornigen, misstrauischen Samurai (in manchen Geschichten mit einem Ninja) verheiratet, der an ihrer Treue zweifelte.

Ihr Ehemann verlor dann eines Nachts den Verstand und schlitzte ihr Gesicht auf - von den Mundwinkeln bis zu den Ohren. Dann sagte er zu ihr, dass er jetzt sehen wolle, wer sie noch schön finden würde.

Nun streift sie nachts weinend durch die Straßen, versteckt ihren zerschnittenen Mund hinter einem Fächer, dem Ärmel ihres Kimonos oder einem Mundschutz, den man in Japan häufig zu Erkältungs- und Grippezeiten trägt. In manchen Erzählungen läuft sie mit Lichtgeschwindigkeit, in anderen schwebt sie.

Wenn Du Ihr begegnest, fragt sie Dich: „Watashi kirei?“ oder „Kirei desu?“ („Findest Du mich hübsch?“). Die Antwort ist normalerweise „Ja“, da sie die Menschen mit ihrer überirdischen Schönheit verzaubert.

Sobald sie jedoch ihr ganzes, entstelltes Gesicht zeigt, wechselt die Stimmung in Entsetzen. Dann fragt sie: „Kore demo?“ („Findest du mich immer noch hübsch?“). Lautet die Antwort erneut „Ja“, so lässt sie einen vielleicht gehen. Solltest Du weglaufen oder etwas anderes als „Ja“ antworten, wird Sie Dich mit einer Sichel oder Schere verfolgen und rufen: „Ich werde Dir dasselbe antun, das mir angetan wurde!“

Du kannst ihr nicht entkommen, sie taucht immer wieder vor Dir auf und Du wirst von Ohr zu Ohr aufgeschlitzt und danach getötet. Kinder (diese spricht sie bevorzugt an) soll sie in zwei Hälften schneiden oder grausam zu Tode quälen. Frauen oder Mädchen, die auf diese Weise sterben, kommen selbst als Kuchisake-Onna zurück.

Sie war schon in der Edo-Zeit auf Bildrollen über Yokai und Dämonen zu sehen und an manchen verschneiten Nächten erschien Sie in Ōme (Tokyo), in der frühen Showa-Aera. Von 1979 bis zu den frühen 80ern gab es viele Berichte von Leuten, die die Kuchisake-Onna gesehen haben wollen. Die Kuchisake-Onna der 70er und 80er griff nur Kinder an, egal ob die Antwort auf ihre zweite Frage „Ja“ oder „Nein“ war. In den 70er Jahren fand man eine Frau tot auf. Sie wurde dabei gesehen, wie sie kleinen Kindern nachgerannt ist, als sie plötzlich von einem Auto erwischt wurde. Der Mund der Leiche war von Ohr zu Ohr aufgeschlitzt.

Eine moderne Variante der Kuchisake-Onna Legende geht wie folgt: Eine Frau mit einem langen roten Mantel, einer Maske und hüftlangen Haaren überrascht ein Kind, indem sie hinter einer Telefonzelle oder einem Strommast hervortritt und ihre Frage „Watashi kirei?“ stellt. Das Kind antwortet, daraufhin nimmt die Frau ihre Maske ab und präsentiert ihr deformiertes Gesicht. Das Kind versucht zu flüchten, wird von der Kuchisake-Onna eingeholt und von Ohr zu Ohr mit einer Sichel, einer Schere oder einem Messer aufgeschlitzt.

Die Kuchisake-Onna wird fast immer als Opfer eines Verbrechens dargestellt, das sie verunstaltete. Als mögliche Ursachen gelten:
- Misslungene Atemwegsoperation
- Plastische Chirurgie (aufgedrängt von ihrem Mann, der sie danach verlassen und ihr Kind mitgenommen hat)
- Autounfall
- Umweltverschmutzung, Atomstrahlung (gaben ihr sieben Zehen an jedem Fuß, deshalb kann sie so schnell laufen)
- Vergewaltigung durch eine Motorradgang (sie blieb völlig irre zurück, sie schlitzten ihren Mund auf oder sie tat es selbst, nachdem sie übergeschnappt war).

In anderen Versionen ist sie ein Patient, der aus einer Anstalt für psychisch kranke Menschen ausgebrochen ist und sich das Gesicht selbst zerschnitten hat.
Und in manchen Versionen glaubt man, dass sie eine jüngere Schwester hat, die sie abgeschoben hat.

Um ihr zu entkommen, muss man ihre Schwäche erkennen. Man muss allerdings schnell genug herausfinden, welche Schwäche die richtige ist. Zu ihren Schwächen gehören:
- Früchte
- Süßigkeiten/Bonbons (die sie sehr liebt, aber nicht essen kann und deshalb deprimiert aufgibt und weggeht)
- Pomade (ein duftendes Haartonikum; die Biker, die Sie vergewaltigten/der Doktor, der ihr Gesicht ruinierte, roch(en) danach)
- Sie hat Schwierigkeiten, jemanden mit der Blutgruppe 0 zu fangen (im modernen Japan glaubt man, dass die Blutgruppe und das Sternzeichen sehr viel mit Glück zu tun haben)
- Sie kann keine Treppen benutzen
- Sie greift niemanden an, der ihr Pflaster oder Bandagen anbietet
- Wenn Du ihr gegenübertrittst und dreimal laut "ninniku" (Knoblauch) rufst, das Zeichen 犬 (inu, Hund) auf deine Hand schreibst, es ihr zeigst und dann schreist, greift sie nicht an
- Wenn Du auf ihre zweite Frage mit „Geht so“ antwortest, gibt sie verwirrt auf, so der Glaube mancher Leute.

Viele Schulkinder verbreiteten die Geschichte der Kuchisake-Onna. Dies führte zu großer Angst in manchen Dörfern und Städten. Es wurden mehr Polizisten auf die Straßen beordert und Lehrer wurden angewiesen, die Kinder auf dem Heimweg zu begleiten.

Die Legende kam vor nicht allzu langer Zeit via Internet nach Korea. Auch in Malaysia und Europa gibt es „Smiley Gangs“, eine Gruppe junger Männer, die einer Frau, die sie in die Enge treiben, zwei Möglichkeiten geben: Vergewaltigung oder Lächeln. Die Frau antwortet natürlich „Lächeln“. Daraufhin schlitzen sie ihr Gesicht von Ohr zu Ohr auf. Diese Entstellung wird auch „Glasgow grin“ oder „Chelsea smile“ genannt, da dieses Phänomen besonders in Glasgow (Schottland) und Chelsea (London) auftrat.

Über die Kuchisake-Onna wurde sogar eine Magisterarbeit an der Uni Köln geschrieben.

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のっぺらぼう (野箆坊)

Urbane Legenden aus Japan (15) Urbane Legenden aus Japan (16)

Nopperabō / No Face

No Face - im Original Nopperabō – handelt von Kreaturen, die kein Gesicht haben, jedoch die Illusion erwecken können, ganz normal auszusehen.

So können sich die Nopperabō in die Gesellschaft eingliedern und sich unauffällig den Menschen nähern. Zwar haben Nopperabō einen Kopf, doch fehlen Augen, Nase, Mund und Ohren. Dafür haben sie eine glatte Haut im Gesicht.

Nopperabō erscheinen meist in dunkeln, abgelegenen Gassen oder in ländlichen Gegenden. Sie reden zunächst normal mit Leuten, die sie treffen, aber in einem günstigen Augenblick lassen sie die Illusion fallen und erschrecken Ihren Gegenüber mit ihrem gesichtslosen Wesen.

Nopperabō sind letztlich harmlose Wesen, die nur gerne Menschen das Fürchten lehren und sich am Leid anderer laben.

In einigen Filmen und Serien - wie z. B. Doctor Who - wurde dieses Element übernommen.

濡女 磯女

Urbane Legenden aus Japan (17)

Nure-Onna / Iso-Onna

Die Nure-Onna (nasse Frau) oder Iso-Onna (Küstenfrau) ist ein Wesen halb Schlange halb Mensch. Sie bittet an Stränden immer wieder Männer, ihr angebliches Kind zu halten.

Die Erzählung: An einem lauen Sommertag besucht ein junger Mann einen Strand in Japan und wird von einer wunderschönen Frau angesprochen. Sie fragt ihn, ob er ihr Baby halten könnte. Der Mann kann das Baby nicht richtig sehen, da es von einem Tuch verdeckt ist, aber er tut der Frau den Gefallen. Als er das Kind in den Arm nimmt, wird es auf einmal schwerer. Irritiert schaut der Mann erst zum Kind in seinen Armen und dann zur Frau.

Plötzlich verwandelt sich die Frau: Sie wird immer größer, Schuppen wachsen aus ihrer Haut und lange Zähne aus ihrem Mund. Sie sieht nun aus wie eine riesige Schlange mit Menschenkopf. Dann schlängelt Sie sich um den wehrlosen Mann und drückt immer fester zu. Er bekommt keine Luft mehr und stirbt.

Das vermeintliche Baby gab es nie. Das Kind ist in Wirklichkeit ein Haufen verzauberter Steine in einem Tuch, die immer schwerer werden, wenn sie von jemand anderem als der Nure-Onna gehalten werden. So irritiert sie ihr Opfer und kann zuschlagen.

In manchen Erzählungen hat sie einen Partner (うしおに Ushi-oni - einen stierköpfigen Meeresdämon), der im Wasser lauert, dann aus dem Meer schnellt und das Opfer ins Wasser zieht.

一輪車鬼魅

Urbane Legenden aus Japan (18)

Das Einradgespenst

In alter Zeit gab es in Kyoto in der Ost-Tōin-Straße ein Einradwagengespenst, das jede Nacht von unten hügelaufwärts fuhr. Darum ging nach Sonnenuntergang kein Mensch mehr auf dieser Straße. Doch eine Frau wollte das Ding einmal sehen und guckte eines Nachts durch das holzvergitterte Fenster.

Wie erwartet kam nach Mitternacht ein einrädriges Fahrzeug von unten heraufgerollt, ohne Zugochse und ohne Führer, auf einem einzigen Rad, von dem ein Menschenbein herabhing. Die Frau erschrak, doch das Fahrzeug begann, wie ein Mensch zu reden: »Frau, statt mich zu betrachten, würdest du gescheiter drinnen nach deinem Kind sehen.«

Entsetzt eilte die Frau ins Hausinnere und erblickte ihr dreijähriges Kind, das von der Schulter bis zum Schenkel entzwei gerissen war. Das eine Bein fehlte. Die Frau klagte und weinte, aber es kam nicht wieder, denn jenes Bein, das an dem Rad gehangen hatte, war das Bein des Kindes gewesen.

福島市

Urbane Legenden aus Japan (19)

Geister in f*ckushima

Nach der Nuklearkatastrophe von f*ckushima häuften sich in der Vergangenheit Geister- und Spukmeldungen aus der betroffenen Region.

Diese kamen meist von den Hinterbliebenen der Opfer oder von Überlebenden der Katastrophe. Die Betroffenen wandten sich oft völlig verzweifelt an Exorzisten, während Wissenschaftler hingegen von posttraumatischen Belastungsstörungen ausgingen. Zu den gruseligen Erscheinungen zählten neben Warteschlangen an geschlossenen Supermärkten auch rätselhafte Anhalter am Straßenrand. Von solch einer mysteriösen Anhalterin berichtete ein Taxifahrer schon kurz nach dem Unglück, im Jahre 2011.

Die Dame soll mit einem Mantel bekleidet gewesen und in der Nähe der Stadt Ishinomaki zugestiegen sein. Als Ziel soll sie das Minamihama-Viertel angegeben haben. Der Fahrer, um die 50 Jahre alt, will seinem weiblichen Fahrgast dann verwundert erklärt haben, dass das Areal seit der Katastrophe doch völlig verlassen sei. Daraufhin soll die Frau mit der Frage "Bin ich gestorben?" geantwortet haben. Als der Taxifahrer verängstigt nach hinten blickte, fand er lediglich eine leere Rückbank vor.

海坊主

Urbane Legenden aus Japan (20)

Umibōzu

Wenn man am ersten Tag des Bonfestes (japanisches, mehrtägiges Totenfest) bis spät abends zum Fischen draußen auf dem Meer bleibt, geschieht bestimmt ein Unglück.

Vor langer Zeit fuhren einmal Fischer am ersten Tag des Obon aus, aber weil der Fang so schlecht war, dachten sie: "Machen wir noch ein wenig weiter, angeln wir nur noch ein klein wenig weiter", und dabei ging, ohne dass sie es merkten, die Sonne unter. »Jetzt aber schnell heim, los, los«, sagten die Fischer und wendeten das Boot. Da tauchte aus dem Meer etwas wie eine gigantische schwarze Kartoffel auf. Ein Fischer sah es und schrie entsetzt: »Dort, was ist das?« Alle schauten hin und erblickten einen riesigen Umibōzu mit wirrem Haar.

Sie begannen zu zittern und konnten sich nicht mehr rühren. Doch der Bootskapitän, ein tapferer Mann, befahl seinen verstörten Leuten mit lauter Stimme: »Los, alle an die Riemen!« und begann selber nach Leibeskräften zu rudern. Er stand zuvorderst und steuerte auf die Lichter am Ufer zu. Der Umibōzu aber schwamm schnell hinterher und rief: »Leiht mir eine Schöpfkelle, eine Schöpfkelle!« Er hatte nun das Schiff eingeholt. Einer der Fischer schlug einer Schöpfkelle den Boden aus und warf sie ins Meer. Unterdessen hatten sie das Ufer schon fast erreicht, und der Umibōzu gab auf und verschwand. Die Fischer waren halbtot vor Schreck und fuhren, ohne zu wenden, mit dem Bug voran auf den Strand zu, zogen das Boot ans Ufer und gingen mit klappernden Zähnen und am ganzen Leibe zitternd nach Hause.

Meeresgeister bitten oft um eine Schöpfkelle. Gibt man ihnen die Kelle, ohne vorher den Boden auszuschlagen, dann gießen sie damit Wasser ins Schiff und versenken es.

Urbane Legenden aus Japan (21)

Sichel-Itachi

Ein widerwärtiger böser Geist, der namentlich den Läufern und Boten unheilvoll werden kann, ist das Sichel-Itachi.

Dieses Gespenst gleicht einem wieselartigen, in Japan häufigen Tier, dem Itachi, führt aber an seinen Klauen scharfe Sicheln. Wem es nun einen Streich spielen will, vor dessen Füße kugelt es sich rasch und unbemerkt, so dass er stürzt und durch die Sicheln sehr üble Wunden erhält. Aus der Art und Weise dieser Verletzungen sieht man alsdann erst, woher sie rühren. Viele Leute versehen sich, um gegen diesen bösen Zauber gesichert zu sein, mit besonderen Amuletten.

ミツメ

Urbane Legenden aus Japan (22)

Mitsume

In den öden Gebirgen hausen - außer den großen Schlangen und anderen bösen Geistern - noch die Erlengespenster, deren oberstes die Mitsume, die Erle ist, welche – ganz wie das Wort Mitsume auch sonst noch besagt – drei Augen, zwei gewöhnliche und eins vor der Stirn besitzt.

Zweiauge und Vierauge, ihr sonst sehr ähnlich und ebenso widerwärtig, gesellen sich zu ihr, auch rauhhaarige Unholde und andere, die mit Fischschuppen versehen sind und großen Fröschen oder Kröten ähneln. Sie sind sämmtlich den Menschen unhold, suchen sie in die Irre und in Gefahr zu locken, sind aber nicht so verderblich wie die meisten der Oni oder wie die großen Schlangen, von denen manche Stellen der Gebirge erfüllt sind, so dass kein Japaner zur Nachtzeit sich dorthin wagt.

藤原保昌

Urbane Legenden aus Japan (23)

Fujiwara no Yasumasa

Man erzählt in Japan viel davon, dass manchen Menschen die Kraft innewohnt, mit ihrem Blicke andere zu bannen, sie gleichsam durch Zauberkraft zurückzuhalten und zu lähmen. Das berühmteste Beispiel dieser Art berichtet man von einem Hofadligen aus alter Zeit, aus dem elften Jahrhundert christlicher Zeitrechnung, namens Yasumasa. Dieser Yasumasa gehörte einem sehr erlauchten und durch treue Anhänglichkeit an die Kaiserfamilie ausgezeichneten Hause, dem der Fujiwara, an - einem Hause, aus welchem die alten Herrscher sehr oft ihre obersten Minister, manchmal aber auch ihre Gattinnen wählten. Yasumasa hätte daher wohl auf die höchsten Ämter Anspruch erheben können; er begnügte sich indessen mit dem eines kaiserlichen Stallmeisters, das ihn in stete, nahe Berührung mit seinem geliebten Monarchen brachte, und damit war sein Ehrgeiz befriedigt.

Eines Abends, es war tief im Winter, und die Wege waren menschenleer und verlassen, ging dieser Herr Yasumasa vor den Toren der Stadt Kyoto spazieren, indem er von Zeit zu Zeit die Flöte blies, worin er große Geschicklichkeit erlangt hatte, um sich damit bei der einsamen Wanderung die Zeit zu vertreiben. Da bemerkte ihn von einem Schlupfwinkel aus einer der gefährlichsten Straßenräuber jener Zeit, der riesenstarke Hakamadare. Derselbe hielt den schlecht bewaffneten Spaziergänger für eine leichte und willkommene Beute und meinte auch wohl, er werde denselben ohne Mühe in Schrecken versetzen, und es werde gar keines Kampfes bedürfen, um in den Besitz von dessen Barschaft zu gelangen. Mit gezücktem Schwerte drang er auf Yasumasa ein und rief ihn an, er möge ihm sein Geld herausgeben: er hatte sich jedoch arg getäuscht und konnte demselben nicht einmal nahe kommen. Yasumasa brauchte nur sein Auge auf ihn zu richten, so stand er wider seinen Willen regungslos still. Er musste sich abwenden und beschämt zurückziehen; so oft er wieder vorzudringen wagte, hielt ihn Yasumasas Blick gebannt.

Nun dachte er, er wollte sich aus der Ferne heranschleichen und, wenn er nahe gekommen sei, von rückwärts einen gewaltigen Streich auf seinen Gegner führen; aber auch das gelang ihm nicht, denn Yasumasas Auge blieb auf ihn geheftet, wohin er sich auch wenden mochte, und unablässig fühlte er die Gewalt des magischen Blickes. Yasumasa war dabei ganz ruhig geblieben und blies unbefangen, wie es ihm gefiel, seine Flöte.

Da begann endlich Hakamadare am ganzen Leibe zu zittern. Er warf sich dem Yasumasa zu Füßen und hob flehentlich die Hände zu ihm empor. Yasumasa überhäufte ihn nun mit den bittersten Vorwürfen ob seines verbrecherischen Lebenswandels. Er fragte nach seinem Namen, und als der Räuber denselben genannt, sprach Yasumasa: »Ich habe viel von deinen Taten gehört und mich stets tief darüber betrübt, dass ein so tüchtiger und tapferer Mann wie du auf so schändliche Abwege geraten ist. Müsstest du nicht vor allem danach trachten, mit deinen Gaben und deiner Kraft der Menschheit zu nützen, statt deine Nächsten in Schaden und Lebensgefahr zu bringen? Jetzt folge mir!« Willenlos tat Hakamadare, wie ihm geheissen, und ging gesenkten Hauptes hinter Yasumasa drein bis in die Stadt und in dessen Haus. Hier befahl ihm Yasumasa, ruhig zu verweilen, bis er selber zurückgekehrt sei, und darauf begab er sich zum Kaiser, erzählte diesem, was ihm begegnet, und erbat sich als besondere Gunst Hakamadares Begnadigung so dringend, dass der Kaiser sie ihm bewilligte. Als er dies dem Räuber, der schon auf das schlimmste gefasst war, verkündete und demselben zugleich sagte, er wolle ihn stets mit Rat und Tat unterstützen, falls er nur von seinem schändlichen Gewerbe ablassen und von Stund an ein redlicher Mensch werden wolle, da war Hakamadare fast noch mehr von Yasumasas Großmuth als durch seinen Zauberblick überwältigt. Tränen kamen ihm in die Augen; er gelobte kniefällig Besserung auf immer dar, und man sagt, dass er dies Gelöbnis treu bis an sein Lebensende hielt.

Urbane Legenden aus Japan (2024)

FAQs

How old is Kuchisake-onna? ›

With Halloween approaching, be sure to watch out for the ghost of the Slit-Mouthed Woman, more commonly known as Kuchisake- onna . This popular and ancient urban legend originates in Japan, during the Heian period (roughly 1200-800 years ago).

How to deal with Kuchisake-onna? ›

Other survival tactics include replying to Kuchisake-onna's question by describing her appearance as "average", giving the individual enough time to run away; distracting her by giving or throwing money or hard candies (particularly the kind of candy known as bekko ame, made of caramelised sugar) in her direction, as ...

What is the most famous Japanese legend? ›

Momotarō – Arguably the most famous Japanese folktale, this is the quirky story of a boy born from a peach who was discovered by an old childless couple when they split the soft fruit open. Momotaro jumped out and was raised by the couple.

What is the evil female yōkai? ›

Appearance: Hinoenma are wicked female yōkai which look like beautiful women. They use their beauty to attract young men and destroy them. Behavior: Hinoenma are paragons of feminine evil and the femme fatales of the yōkai world.

What is the evil demon in Japan? ›

What is a Yokai? Evil Spirits and Monsters in Japan also known as Yōkai are a class of supernatural monsters, spirits, and demons in Japanese folklore. The word "yōkai" Is made up of the kanji (symbol) for "bewitching: attractive; calamity:" and "specter apparition: mystery; suspicious".

Who is the yōkai that asks if shes pretty? ›

The Kuchisake Onna, or slit mouthed woman, is a popular figure in Japanese folklore. She even shows up in many modern day urban legends. She often appears wearing a surgical mask to cover her mouth, which has been ripped open from ear to ear. She will ask unknowing passers-by whether or not they think she is beautiful.

How to confuse Kuchisake-onna? ›

There are strategies to escape Kuchisake-onna. If the person replies that she is average, she will become confused, giving time for them to run away. Another strategy included throwing candies and fruits at her, which the woman will pick up and eventually get distracted.

Where can I watch the slit mouth woman movie? ›

Watch Carved: The Slit Mouthed Woman | Prime Video.

What is the Japanese legend about faces? ›

Kuchisake-onna ("Slit-Mouthed Woman")

She is said to partially cover her face with a mask or object and reportedly carries a sharp tool of some kind, such as a knife or a large pair of scissors. According to popular legend, she will ask potential victims if they think she is attractive.

What is yōkai? ›

Yōkai are often referred to as Japanese spirits or East Asian ghosts, like the Hanako-san legend or the story of the "Slit-mouthed girl", both of which hail from Japanese legend. The term yōkai can also be interpreted as something strange or unusual.

Why did Izanagi leave izanami? ›

She became angry when he lit a fire and saw her rotting and covered with maggots. A horrified Izanagi fled, with a host of women and then Izanami herself in pursuit. After reaching the entrance to Yomi, Izanagi placed a stone across it, thus sealing in Izanami and breaking their union.

What does Susanoo mean? ›

Susanoo, (Japanese: Impetuous Male), in Japanese mythology, the storm god, younger brother of the sun goddess Amaterasu. He was born as his father Izanagi washed his nose. Susanoo, having been granted charge of the sea plain, was driven out of heaven because of his outrageous behaviour at his sister's court.

Who is Japan's greatest hero? ›

Sakamoto Ryoma, undoubtedly one of Japan's most influential and revered historical figures, played an essential role in the overthrow of the Edo Period (1603-1868) feudal shogunate, and helped pave the way toward the establishment of the Meiji government.

Who is the most feared demon in Japan? ›

Shuten-dōji has been regarded as the most famous and strongest oni in Japan. The legend of Shuten-dōji has been described since the 14th century in various arts, traditional performing arts and literature such as emakimono, jōruri, noh, kabuki, bunraku, and ukiyo-e.

What is the strongest Japanese myth? ›

In the realm of Japanese mythology, Amaterasu stands as one of the most powerful and influential deities. Her significant role as the Sun Goddess places her above many other gods and goddesses in terms of authority and reverence.

Who are the most feared Japanese gods? ›

Fujin and Raijin are the most feared and respected of all Japanese deities. These two gods are the masters of wind and thunder and always seen together in works of art. Wood and stone sculptures of Fujin and Raijin are found at the gates of Japanese shrines and temples as protectors.

How to beat teke teke? ›

As such, like the Kuchisake-onna, there is no way to get away from or defeat the Teke Teke, as the creature is fast and impossible to escape from. A very similar urban legend concerns another girl, Reiko Kashima, who died on the train tracks and lost her legs after a train passed by.

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